Regulierung sprengt die Wertschöpfungskette
Am 1. Januar 2013 soll der Startschuss für umwälzende Neuerungen im Aufsichtsrecht für Banken und Versicherer fallen. Zwar mehren sich in Brüssel die Anzeichen, dass es hierbei zu Verspätungen kommen wird. Doch sobald es zu einer Einigung auf europäischer Ebene kommt, werden die nationalen Aufsichtsbehörden wie die BaFin nicht zögern, die neuen Rahmenwerke sofort anzuwenden.Erst am 22. August hat das deutsche Kabinett beschlossen, mit Basel III pünktlich zum Jahresanfang 2013 zu beginnen. Der Druck auf Investoren und Asset Manager wird damit stark erhöht, denn die Neuregelungen bedeuten massive Änderungen für Kapitalanlageprodukte und hohe Investitionen in Infrastruktur und Meldewesen.Die neue OTC-Derivateregelung EMIR ist das einzige Regelwerk, das ohne Verzögerungen alle europäischen Hürden genommen hat. Da EMIR mit Solvency II und Basel III eng verzahnt ist, sind auch die Auswirkungen dieser Neuregelung auf die Finanzbranche groß.Die Wurzel aller drei geplanten Neuregelungen ist die Finanzkrise 2007 samt folgender Liquiditäts- und Staatsschuldenkrise. Finanzmarktstabilität und die Vermeidung einer Ansteckung zwischen den Marktteilnehmern in einer Krise sind das definierte Ziel. Im Krisenfall sollen Dominoeffekte und ein Übergreifen der Probleme auf die Realwirtschaft verhindert werden. Grundlegende VeränderungBasel III bzw. die daraus resultierende EU-Verordnung CRR wird bestehende Regelungen des deutschen Kreditwesengesetzes grundlegend verändern. So werden die Solvabilitäts-, Groß- und Millionenkredit- und Liquiditätsverordnung bald der Vergangenheit angehören und durch neue Vorgaben ersetzt. Die Institute werden durch die CRR in ihren Eigenkapital-Grundmauern von drei Seiten in die Zange genommen: Die Eigenkapitaldecke muss als Ers-tes pauschal erhöht werden. Zweitens werden die bestehenden Eigengeschäfte der Banken mit höheren Eigenkapitalanforderungen versehen. Und drittens werden neue Eigenkapitalabzugspositionen für die Banken definiert. Neu einzuhaltende Kennziffern wie die Liquidity Coverage Ratio erhöhen den Druck zusätzlich.Solvency II wiederum sorgt für eine stärkere Ausrichtung des Versicherungsaufsichtsrechts an IFRS: Eine aufsichtsrechtliche Marktwertbilanz und die wirtschaftliche Betrachtung des Risikos eingegangener Geschäfte sind die Kernelemente. Das notwendige regulatorische Eigenkapital wird aus einem einjährigen Value-at-Risk-Ansatz ermittelt. Handelsrechtliche Buchwerte spielen nach Solvency II regulatorisch keine Rolle mehr, und Quotenregelungen zur Begrenzung von Asset-Klassen sind möglicherweise bald obsolet.EMIR dagegen zielt darauf ab, den Handel mit OTC-Derivaten sicherer zu machen. Dafür werden zentrale Kontrahenten-Plattformen (CCP) geschaffen, über die derartige Derivate abgewickelt werden müssen: Margining- und Clearing-Prozesse und ein Collateral-Management sollen etabliert werden. Die Meldung des Geschäftsabschlusses an ein zentrales Transaktionsregister spätestens am Folgetag wird obligatorisch. Jedes OTC-Derivat, das nicht sicher über eine CCP abgewickelt wird, erhält über Basel III und Solvency II zusätzliche Eigenkapitalzuschläge.Nachteilig ist, dass die Regelungen für alle unabhängig von ihrer Größe und Geschäftstätigkeit gelten sollen. So entsteht der Eindruck, dass mit Kanonen auf Spatzen geschossen und zum anderen die Marktbeherrschung durch wenige Große im Zuge von Solvency II, Basel III und EMIR zunehmen wird. Ob diese Regelungen dann tatsächlich eine neue Krise verhindern können, muss sich in der Praxis zeigen. Allerdings ist zu vermuten, dass bei Marktexzessen der Herdentrieb verstärkt wird.Ungeachtet dessen ist klar, dass die neuen Rahmenwerke stark in strategische Überlegungen aller Banken, Versicherer und Pensionskassen eingreifen. Bei der Kapitalanlage wird die bestmögliche Verteilung der begrenzten Eigenkapitalressourcen, um das angestrebte Risiko-Rendite-Profil zu realisieren, zu einer gewaltigen Herausforderung. Doch nicht nur die Kapitalanlagespezialisten und Risikomanager bei Banken, Versicherern und Pensionskassen sind gefordert. Auch die Asset Manager müssen ein tiefgreifendes Verständnis der neuen Regulierungsziele entwickeln, um auf Augenhöhe mit Investoren darüber sprechen zu können. Bereits heute reichen ein formales Administrieren von Fonds und das Reporting von Kennziffern längst nicht mehr aus. Mehr Service gefragtExpertise im Banken- und Versicherungsaufsichtsrecht wird zum unverzichtbaren Bestandteil im Asset Management, um maßgeschneiderte Lösungskonzepte zu entwickeln und anzupassen. Das aufsichtsrechtliche Fonds-Reporting und der integrierte Kundendialog müssen die Einhaltung aller Anforderungen der Rahmenwerke sicherstellen und dem Investor eine Vielzahl der neuen operativen Aufgaben abnehmen. Die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) wird damit zu einer neuen Service-KAG.Neben quantitativen Reporting-Kennzahlen spielen im Aufsichts-recht die qualitativen Bausteine eine immer größere Rolle: Mehr denn je ist Transparenz gefragt, auch bezüglich des eingesetzten Risikomodells, das sowohl zur aktiven Fondssteuerung beim Asset Manager als auch zu Reporting-Zwecken der Service-KAG, beispielsweise für die MaRisk, genutzt wird. Darüber hinaus sind dynamische Anpassungsprozesse erforderlich, denn die regulatorischen Anforderungen nehmen bei gleichzeitig abnehmender Halbwertszeit zu. Wenn sich Asset Manager und Service-KAG nicht frühzeitig mit möglichen regulatorischen Änderungen auseinandersetzen und Infrastruktur und Reporting anpassen, können bestehende Lösungskonzepte beim Investor schnell zu Problemen führen. In Vorleistung tretenUm dies zu vermeiden, müssen der Asset Manager und die Service-KAG in Vorleistung treten und die Strukturierung des Lösungsangebotes vom Ende her denken. Anlagekonzepte sind bereits im Vorfeld unter Regulierungsgesichtspunkten zu optimieren. Gleichzeitig muss der regulatorische Mehraufwand beim institutionellen Anleger durch mehr Service kompensiert werden. Letztendlich sollte der Asset Manager zeigen, dass er trotz des engeren Regel-korsetts noch eine attraktive Rendite abliefern kann.Die Regulierung ist keineswegs nur ein Servicethema, sondern eine zentrale Herausforderung im Asset Management. Die bewährte Wertschöpfungskette einer KAG endet nicht mehr mit der Lieferung von Finanzdaten und Risikokennziffern. Es kommt zukünftig vielmehr auf die konzeptionelle Veränderung der Wertschöpfungskette und eine kundengerechte Informationsaufbereitung an.Dafür müssen Asset Manager und Service-KAG Hand in Hand arbeiten. Spätestens wenn der nächste aufsichtsrechtliche Meldestichtag des Kunden vor der Tür steht, wird deutlich, dass reiner Produktverkauf nicht mehr ausreicht.