Kapitalanlage

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Fußballweltmeister wird es nur einen geben - Aber Aktienmeister durch die WM umso mehr

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel

Von Frank Bremser, Frankfurt Das Warten hat endlich ein Ende. Am Freitag hat das wichtigstes Sportereignis des Jahres begonnen, endlich rollt der Ball bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland. In den vergangenen Monaten haben sich die Städte herausgeputzt, und die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Aber nicht nur Fußballfans haben sich intensiv auf das Mega-Ereignis vorbereitet. So haben auch Banken und Research-Häuser Tipp-Runden gestartet und eigene WM-Teams aufgestellt. Sie haben aber auch ihre Arbeit getan und eine Fülle von mehr oder weniger erfolgversprechend Produkten auf den Markt geworfen, wie etwa die Postbank das Weltmeister-Zertifikat, JPMorgan die Go-Getter-Anleihe oder die Dresdner Bank den Weltmeister-Bonus. StimulusUnd sie haben analysiert und gerechnet und dabei die Favoriten unter den Aktien ausgemacht, die von der WM besonders profitieren werden. Entscheidend dabei ist jedoch, dass diese Aktien keine Eintagsfliegen sind, sondern Unternehmen, die langfristig auf gesunden Beinen stehen und vor allem auch in den kommenden Jahren von Sportgroßereignissen profitieren werden. Schließlich muss sich auch der Anleger vorbereiten. Es sind ja auch nur noch 1 456 Tage bis zum WM-Eröffnungsspiel - 2010 in Südafrika.Und die Wirkung eines Sport-Großereignisses auf die Aktienmärkte ist unbestritten. So haben britische Wissenschaftler herausgefunden, dass das Ergebnis eines wichtige Fußballspiels die Aktienkurse am folgenden Tag beeinflusst. Und deshalb gilt umso mehr: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Die Vermögensverwaltung FondsSkyline hat analysiert, dass seit 1976 mit nur einer Ausnahme nach der Vergabe von Olympischen Spielen die Aktienindizes der jeweiligen Ausrichter-Länder immer deutlich besser abgeschnitten haben als der MSCI World.Doch nicht nur die Aktien des jeweiligen Gastgeberlandes profitieren, wie zum Beispiel die Schweizer UBS, die österreichische Raiffeisen Research und auch die deutsche Landesbank Rheinland-Pfalz festgestellt haben. Sie haben Aktien in bisherigen WM-Jahren und auch in diesem Jahr untersucht und so ihre langfristigen Favoriten gefunden. Dazu gehören auch Unternehmen, die trotz guter WM-Chancen derzeit deutlich unter Wert notieren. Die WM-Favoriten der Banken kommen dabei aus allen Branchen. Und auch wenn die WM bereits begonnen hat, bieten die jüngsten Kursrückschläge bei vielen Aktien nun wieder gute Einstiegschancen. Die Liste der Profiteure liest sich dabei wie ein WM-Vorbereitungsplan. Vom Aufbau der Infrastruktur über die Vorbereitungen der Ticketbesitzer und Nicht-Ticketbesitzer, zur Anreise, zur konkreten Versorgung mit dem Lebensnotwendigen für das Spiel bis hin zum eigentlichen Event, dem Spiel selbst.Denn nach der Bekanntgabe des Austragungsortes der WM geht die Hausse los. So müssen die Stadien erst einmal WM-reif gemacht werden, manchmal durch eine Renovierung, manchmal jedoch auch durch einen kompletten Neubau. In Deutschland wurden für die WM 1,4 Mrd. Euro in die Modernisierung der Stadien gesteckt. Für die Olympischen Spiele in Peking sind zusätzliche Ausgaben für Infrastruktur von mehr als 23 Mrd. Euro veranschlagt. Fest gemauert in der ErdenTop-Wert ist dabei für die UBS die Schweizer Holcim, die im ersten Quartal 2006 eine Umsatz- und Gewinnsteigerung von 70 % vorweisen konnte. In früheren Jahren hat der Zementkonzern in Zeiten von Sportgroßereignissen überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Aber auch Baukonzerne wie die deutsche Hochtief profitieren, da die den Zement von Holcim in Infrastruktur und Stadien überall in der Welt gießen.Steht das Stadion und sind die Zufahrtsstraßen geteert, beginnt langsam die heiße Phase. Wichtigste Aktion dabei: die Jagd nach den Tickets. Und da gibt es weltweit nur wenige Firmen, welche die für den Ticketverkauf notwendige Logistik aufbieten können. Bei der WM 2006 war dies CTS Eventim. Der Wert der Aktie des Ticketkonzerns hat sich seit Anfang 2005 mehr als verdoppelt. Und der durch die WM erreichte Bekanntheitsgrad wird dem Unternehmen bei der Akquise weiterer Großaufträge helfen. Nach dem Ticketverkauf teilt sich die Gruppe der Fans in glückliche und unglückliche Menschen auf, in Ticketbesitzer und Nicht-Ticketbesitzer. Die Eigentümer eines Billetts werden sich dann um ihre Reise kümmern: Wie komme ich ins Land und wie dort herum? In Deutschland profitierte davon vor allem der Branchenprimus. Die Lufthansa hat seit Jahresbeginn Passagieraufkommen und Durchschnittserlös pro Flugkilometer deutlich steigern können und verspricht auch für die nahe Zukunft weiteres Wachstum. Sollten einige WM-Besucher von Deutschland begeistert sein, werden sie als Touristen wiederkommen - und das wahrscheinlich mit dem Flugzeug. Die großen börsennotierten Hotelketten werden hingegen kaum von der WM in Deutschland profitieren, sie verdienen nur einen Bruchteil ihres Geldes im aktuellen Ausrichterland.Rückt die WM immer näher, beginnt die große Zeit der Einzelhändler und der Konsumgüterhersteller. Neue Fernseher mit Großbildleinwand, Camcorder und Fotoapparate braucht das Land. Das bietet dann etwa Metro mit ihren Töchtern Media Markt und Saturn. Standard & Poor's hat festgestellt, dass vor allem Händler mit einem großen Heimelektronikbereich überdurchschnittlich von einer Weltmeisterschaft profitieren. Und der MSCI-Konsumgüterindex hat sich in WM-Jahren im Schnitt 6 % besser entwickelt als der Aktienmarkt. So verkünden nicht nur die Händler, sondern auch die Hersteller wie Philips und Canon oder der wichtigste Produzent von Flüssigkeitskristallen für die Flachbildschirme, Merck, in Jahren eines Sportgroßereignisses stark steigende Umsatzzahlen. Fußball macht durstigIst das Großereignis erst einmal da, geht es um die Grundversorgung - in erster Linie im Hochsommer natürlich um Getränke. Der Softdrinkriese Coca-Cola ist seit jeher bei großen Sportereignissen präsent - und auch bei der WM in Deutschland als ein Hauptsponsor. Die Aktie ist derzeit nach einer enttäuschenden Kursentwicklung in den vergangenen Monaten mit einem KGV von 17 relativ günstig bewertet. Und für den Snack zwischendurch steht der zweite Hauptsponsor aus dem Nahrungsmittelbereich. Erst jüngst haben mehrere Analystenhäuser die Aktie des Frikadellenbraters McDonald's auf "Buy" oder "Outperform" hochgestuft. Doch nicht nur Softdrinks werden zur WM in Strömen fließen - Bier ist bei einer Fußballweltmeisterschaft das Getränk der Stunde. Profitieren werden davon Brauereiriesen wie die Sponsoren Carlsberg und Anheuser Busch. Aber auch der Carlsberg-Konkurrent Heineken, der allein in Deutschland über 20 Biermarken verfügt, verspricht sich ein großes Geschäft. Heineken ist zudem mit einem KGV von 17 derzeit auch günstiger bewertet als Carlsberg. Und an 2010 gedacht, bietet SAB Miller große Chancen, wenn dann der Ball im Stammland des Unternehmens Südafrika rollt. Doch die Fußball-WM ist auch ein Kneipenereignis. Und davon profitiert in Großbritannien der größte Kneipenbetreiber des Landes, die börsennotierte Mitchells & Butlers. Je weiter die Engländer bei der Weltmeisterschaft kommen, desto mehr Bier wird in den Pubs fließen, desto mehr Geld wird verdient werden. Zudem stehen bei dem Kneipenbetreiber auch einige Übernahme-Interessierte vor der Tür: alles zusammen gute Nachrichten für die Aktie des Kneipenbetreibers. WettsuchtViele Fans versuchen auch, ihre Begeisterung und ihr Fachwissen zu Geld zu machen. Sportwetten-Anbieter sprechen von Rekordumsätzen. Für den britischen Buchmacher William Hill ist es ein zweischneidiges Schwert: Das Unternehmen hat mit der WM ein Riesengeschäft gemacht. Sollte jedoch England Weltmeister werden, dann wird es teuer für das Unternehmen, denn die Engländer haben gewaltige Summen auf den Titelgewinn ihrer Mannschaft gesetzt. Für überzeugte deutsche Fußballfans und Anleger ist damit die günstig bewertete Aktie gerade wegen der vielen Wetten auf England ein gutes Geschäft. Denn hierzulande weiß jeder Fußballkenner, dass die Jungs von der Insel genauso wie bei den vergangenen Turnieren im Elfmeterschießen an Deutschland scheitern werden. Oder wie es der ehemalig englische Stürmerstar Gary Lineker frustriert feststellte: "Fußball ist ein einfaches Spiel von 22 Leuten, die rumlaufen und den Ball spielen, einem Schiedsrichter, der eine Reihe dummer Fehler macht, und am Ende gewinnt immer Deutschland." Wer nicht so sehr an Fußball-Wahrheiten, aber trotzdem an Wettunternehmen glaubt, für den ist Betandwin derzeit eine guter Griff. Betandwin rechnet für die WM mit einer Verdoppelung des normalen Wettumsatzes. Die Aktie ist jedoch jüngst um mehr als 20 % eingebrochen und bietet nun eine gute Einstiegschance. Das Spiel selbst dominieren dann natürlich die großen Sportartikelhersteller wie Adidas, Nike und Puma, die sich unter anderem eine regelrechte Schlacht darum liefern, wer welches Nationalteam ausrüsten darf. Nike hat mit Top-Favorit Brasilien sicherlich eines ganz großes Los gezogen. Adidas hat sich hingegen als offizieller Hauptsponsor und Ausrüster etwa der deutschen Nationalmannschaft gut positioniert. Und die Herzogenauracher haben ein Produkt auf dem Markt, bei dem ihm kein Konkurrent Konkurrenz machen kann. Mit dem offiziellen WM-Ball "Teamgeist" strebt Adidas einen Mehrumsatz von 500 Mill. Euro an. Guerilla-TaktikDie meisten WM-Teams hat indes Puma unter Vertrag, darunter Italien, Schweiz und Tschechien. Zusätzlich hat Puma sich auf eine Guerilla-Taktik verlegt. Die Bannmeile am Boden ist auch für das Unternehmen werbetechnisch gesperrt. Deshalb hat sich Puma mit der Fluglinie DBA zusammengetan und rüstet während der WM das Bordpersonal mit Sportkleidung aus. So wird die Bannmeile mit großer Werbewirkung einfach überflogen. Puma hat derzeit großen Erfolg. Dank der WM ist der Auftragsbestand im ersten Quartal um 35 % gestiegen.Ein Sportausrüster, den die wenigsten Anleger auf der Rechnung haben, wird aber in jedem Fall den Weltmeister ausrüsten und von den Mehrverkäufen der drei Großen profitieren: Die Yue Yue aus Hongkong fertigt für Adidas, Nike und Puma in Lizenz Sportschuhe - ein gutes Geschäft auch auf lange Sicht.Ist das Finale am 9. Juli vorbei, wird es ein Siegerteam geben, aber auch 31 Mannschaften, die es nicht geschafft haben. Mancher Fußballverrückte wird dann am Computer versuchen, den Lauf der WM wieder vergessen zu machen, und vielleicht Angola zum Titel bringen. Mit dem offiziellen Spiel zur WM bricht der US-Computerspielproduzent Electronic Arts derzeit alle Verkaufsrekorde. Der Aktie des Unternehmens hat das derzeit aber wenig geholfen. Sie ist im Mai trotz positiver Zahlen und guter Aussichten um mehr als 25 % gefallen und bietet deshalb jetzt eine gute Einstiegschance.Von dem Unternehmen, das nach der WM mit dem wohl größten Gewinn nach Hause geht, kann man jedoch keine Aktien kaufen. Geschätzte 1,8 Mrd. Euro werden auf das Konto eines kleinen Vereins in der Schweiz geflossen sein - auf das schon jetzt prall gefüllte Konto des Fußball-Weltverbandes Fifa.