LeitartikelAutoindustrie

Autobauer in Habachtstellung

Die Autoindustrie sollte Jubeln, nachdem Verkehrsminister Volker Wissing die Tür für Verbrenner offen gehalten hat. Die Protagonisten sind indes auffällig leise. Das hat Gründe.

Autobauer in Habachtstellung

Autoindustrie

In Habachtstellung

Von Stefan Kroneck

Trotz des Deals zu E-Fuels zugunsten der deutschen Autobauer befindet sich die Branche beim Umbau in Habachtstellung.

Seltsam! Trotz des augenscheinlichen Achtungserfolgs von Volker Wissing in der EU für die deutsche Autoindustrie, fällt die Reaktion des wichtigsten Wirtschaftszweigs in der größten Volkswirtschaft der Gemeinschaft auf den politischen Kompromiss beim strittigen Thema Verbrenner-Ende relativ gedämpft aus. Bis auf eine Anerkennung der Lobbyisten vom Dachverband VDA via Presseerklärung und ein Trommeln von Volkswagen-Chef Oliver Blume für E-Fuels haben sich die Wettbewerber BMW und Mercedes-Benz sowie die Zulieferer Continental, Bosch, ZF Friedrichshafen und Schaeffler in der Causa medial auffällig zurückgehalten.

Alte Porsche Fahrzeuge in den Hallen der Messe Stuttgart bei der Messe Retro Classics. |
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Offenbar sind manche Verantwortliche in der Branche nicht sehr davon überzeugt, dass das vom Timing her ungeschickte Vorpreschen des FDP-Politikers und Bundesverkehrsministers in der Ampelkoalition für die Öffentlichkeitsarbeit geeignet ist, sich als umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Unternehmen in Zeiten des Klimawandels nach außen zu inszenieren. Ein fader Beigeschmack bleibt bestehen in Bezug auf das auf Basis von Wissings Blockadehaltung ausgehandelte Brüsseler Zusatzprotokoll in Sachen E-Fuels zum zuvor längst beschlossenen Aus für Neufahrzeuge mit Benzin- und Dieselmotoren von 2035 an in der EU.

Denn in der hiesigen Autoindustrie hatte man sich längst damit abgefunden, dass die Elektromobilität die Losung für die Zukunft ist. Vor diesem Hintergrund fahren die Autohersteller und ihre Lieferanten seit Jahren alle in Richtung batteriegetriebener Antriebstechnologien. Die Autobauer sind nämlich sehr empfindlich, wenn aus ihrer Sicht die Planbarkeit der eigenen Geschäftsmodelle durch politischen Aktionismus gefährdet werden könnte. Angesichts dessen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die FDP mal wieder Klientelpolitik betreibt.

Synthetische Kraftstoffe sind und bleiben auch künftig derart teuer, dass diese nur für Autokäufer mit dicken Portemonnaies in Frage kämen. Das trifft dann auf vor allem Fahrer sportlicher Edelmarken vom Schlage eines Porsche 911 zu. Daher wundert es nicht, wenn Blume, zugleich CEO der Stuttgarter Tochterfirma des Wolfsburger Mehrmarkenkonzerns, sich für E-Fuels als Alternative zu Elektroantrieben ausspricht. Die von den Deutschen propagierte „Technologieoffenheit“ im Transformationsprozess von Fahrzeugen auf Basis herkömmlicher fossiler Brennstoffe zu vernetzten E-Autos ist vor allem für Porsche Mittel zum Zweck. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass bisherige 911-Kunden, die insbesondere auch wegen des typischen Motorengeräuschs sich für das Modell begeistern, ohne Zähneknirschen bereit wären, auf E-Modelle mir relativ überschaubarer Reichweite umzusteigen?

Der Hinweis, in E-Zeiten könne man dieses Geräusch doch im Innenraum des Wagens mit entsprechenden Soundtönen aus schicken Boxen kompensieren, darf man getrost als hilflos wirkende Publicity der Vertriebs- und Marketingabteilung der Schwaben deuten. Für Blume geht es ums Ganze: das ungestörte Beibehalten seiner Erfolgsfahrt am Lenkrad der schwäbischen Edelmarke und des niedersächsischen Mutterkonzerns. Ohne die Option der E-Fuels würde es wohl für ihn holpriger werden.
Ungeachtet dieses Porsche-Spezifikums befindet sich die deutsche Autoindustrie ohnehin beim Thema Elektromobilität in Habachtstellung, wenngleich die Perspektiven fürs operative Geschäft im laufenden Jahr besser sind als 2022. Dank entspannterer Lieferketten stehen die Zeichen für steigende Auslieferungszahlen auf Grün nach dem Dämpfer im Vorjahr aufgrund von Versorgungsengpässen.

Dabei gilt für sie mehr denn je das Motto, im Vertrieb von Autos mit hohen Deckungsbeiträgen zu klotzen statt zu kleckern. Schließlich verdienen die großen drei deutschen Adressen damit den Cashflow und erwirtschaften die Margen, die erforderlich sind, um den Umbau zur Elektromobilität zu beschleunigen. Im Heimatmarkt gestaltet sich das aber schwierig, da ein nach wie vor dünnes Ladenetz und überschaubare Reichweiten der E-Autos viele Privathaushalte zögern lassen mitzuziehen. Fortschritte in der Batterieleistung können zu einem Umdenken auf breiter Front entscheidend beitragen.

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