Reformvorhaben

Rentenproteste legen Teile Frankreichs lahm

Eine Mehrheit der Franzosen ist gegen die geplante Rentenreform. Trotz der hohen Beteiligung an den Protesten schließt Macron ein Referendum zu der Frage aus.

Rentenproteste legen Teile Frankreichs lahm

In Frankreich haben Proteste und Streiks gegen die geplante Rentenreform am Donnerstag einen Teil des öffentlichen Lebens lahmgelegt. Nach Angaben der Polizei folgten mehr als 1 Million Franzosen außerhalb von Paris dem Aufruf der acht Gewerkschaften zu gemeinsamen Demonstrationen. In der französischen Hauptstadt gingen laut der Gewerkschaft CGT 400 000 Menschen auf die Straße, landesweit zwei Millionen.

Bestreikt wurden vor allem die Transportbranche, Energieversorger, Raffinerien, Atomkraftwerke, Schulen und andere Behörden. Etliche Züge, Flüge, Métros und Vorortbahnen fielen aus. Dagegen funktionierte das Bussystem in Paris nahezu normal. Das befürchtete Chaos blieb aus, da viele Unternehmen ihre Mitarbeiter von zu Hause aus arbeiten ließen. Die Gewerkschaften planen bereits weitere Proteste.

Die Mobilisierung sei größer als erhofft, sagte Gewerkschaftsführer Laurent Berger von CFDT. Eigentlich gilt sie als die reformfreundlichste Gewerkschaft in Frankreich. Doch die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters – von 62 auf 64 Jahre – ist für Berger eine rote Linie. „Die geplante Reform ist ungerecht“, sagte er. Es sei nicht notwendig, das Renteneintrittsalter anzuheben. Es handele sich nicht um eine Rentenreform, sondern um eine Reform der öffentlichen Finanzen. Die Arbeiter müssten dafür bezahlen, dass das Defizit abgebaut werden solle, meinte Berger. Es gebe andere Möglichkeiten, die Rentensysteme auszugleichen. Dafür müsse Frankreich damit aufhören, ältere Arbeitnehmer aus den Unternehmen zu drängen.

Tatsächlich ist die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen in Frankreich niedriger als in anderen Ländern. So lag sie laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zuletzt bei 57,2%, in Deutschland dagegen bei 73,7% und in der Eurozone im Schnitt bei 63%. „Wir wissen, dass in Bezug auf die Beschäftigung älterer Arbeitnehmer Antworten von uns erwartet werden“, erklärte Geoffroy Roux de Bézieux, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Medef. Es sei ganz klar ein Zusammenhang zwischen dem Renteneintrittsalter und der Beschäftigungsrate der Senioren zu sehen. „Wenn für die Reform gestimmt wird, wird sie uns zwingen, mehr ältere Arbeitnehmer einzustellen“, sagte Roux de Bézieux. Generell unterstützt der Medef die geplante Rentenreform. Er ist jedoch gegen den von der Regierung gewünschten Altersindex, durch den Unternehmen gezwungen werden sollen, den Anteil älterer Arbeitnehmer an der Belegschaft offenzulegen.

Allerdings will ein Großteil der Franzosen nicht später als bisher in Rente gehen. „Wir wollen nicht bis zum Tod arbeiten“, war bei den Demonstrationen zu hören. In einer Mittwoch vom Nachrichtensender BFMTV veröffentlichten Umfrage haben sich 66% der Befragten gegen die geplante Rentenreform ausgesprochen. Sozialistenchef Olivier Faure spricht sogar von 85%. Wenn Macron logisch denken würde, müsste er eine Volksabstimmung für die Reform durchführen, findet er.

Ein Referendum hat Macron jedoch ausgeschlossen. Die Reform werde durchgeführt, antwortete er bei einem Treffen mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez in Barcelona auf eine entsprechende Frage von Journalisten. Es handele sich um eine gerechte und verantwortungsvolle Reform, die während des Wahlkampfs für die Präsidentschafts- und die Parlamentswahlen letztes Jahr auf demokratische Weise präsentiert worden sei. Es sei legitim, seine Meinung kundzutun, erklärte Macron mit Blick auf die Demonstrationen. Er vertraue den Organisatoren, dass es dabei nicht zu größeren Ausschreitungen komme. In Paris kam es jedoch vereinzelt dazu.